Künstliche Assistenzsysteme verbessern die Gesundheitskompetenz

KI für gesundheitliche Empfehlungen

Es gibt ein spannendes Projekt, das an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen durchgeführt wird. Im Fokus steht hierbei der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Assistenzsystemen. Aufgabe der KI ist es, Anwendern gesundheitliche Empfehlungen zu geben, abhängig von der jeweiligen Lebenssituation und den individuellen Voraussetzungen. Man möchte damit die Health Literacy, also die Gesundheitskompetenz, der Anwender verbessern.

Selbstlernendes Assistenzsystem zur Steigerung der Health Literacy

Wie der Verantwortliche des Projektes, Professor Dr. Oliver Amft erklärt, nehme ein Mensch Gesundheit erst dann ernst, wenn sie in Gefahr sei. Gemeinsam mit anderen Institutionen, die sich mit Künstlicher Intelligenz beschäftigen, möchte der Forscher ein kluges, also selbstlernendes Assistenzsystem entwickeln. Grundlage hierfür soll Künstliche Intelligenz sein. Hierfür stehen Fördergelder über drei Jahre in Höhe von 1,8 Millionen Euro seitens des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Verfügung. Übergeordnetes Ziel ist es, die Gesundheitskompetenz der Anwender zu stärken, indem die Künstliche Intelligenz Hinweise in Sachen gesünderes Leben gibt. Dieses soll individuell und situativ auf den jeweiligen Anwender zugeschnitten sein.

Wie lässt sich eigentlich Gesundheitskompetenz messen?

Es sind vier Schritte notwendig, um gesundheitsrelevante Informationen zu beschaffen:

  1. Informationen finden
  2. Informationen verstehen
  3. Informationen beurteilen
  4. Informationen anwenden.

Damit sich die Gesundheitskompetenz einer Person definieren lässt, muss man untersuchen, wie einfach oder schwierig diese vier Schritte fallen.

Wie groß ist der Handlungsbedarf in Sachen Health Literacy?

Wie eine Untersuchung der Universität Bielefeld ergibt, steht es schlecht um die Gesundheitskompetenz in Deutschland. Somit besteht also dringend Handlungsbedarf in Sachen Health Literacy. So ergibt die Studie, dass mehr als ein Drittel der Bevölkerung hierzulande schlecht aufgestellt ist, wenn es um Gesundheitsinformationen geht. Besonders fällt auf, dass Bildungsgrad und Gesundheitskompetenz in enger Verbindung zueinander zu stehen scheinen. Mehr als die Hälfte der Menschen mit einem höheren bzw. hohen Bildungsgrad besitzt eine hohe Gesundheitskompetenz. Dieser Anteil fällt bei Personen mit einem mittleren Bildungsabschluss mit knapp über 40 Prozent bereits deutlich ab. Noch eklatanter fällt der Unterschied bei Personen mit einem niedrigen Bildungsniveau aus: Hier beträgt der Anteil lediglich knapp über 20 Prozent.

Hoher Bildungsgrad und Gesundheitskompetenz
Hoher Bildungsgrad und Gesundheitskompetenz

Erschreckend niedrige Gesundheitskompetenz bei chronisch kranken Personen

Bezieht man sich lediglich auf die Gruppe chronisch kranker Personen besitzt nicht mal ein Viertel eine ausreichende oder gar exzellente Health Literacy. Dies bedeutet, dass es vor allem bei diesem Personenkreis, der ständig mit körperlichen Einschränkungen konfrontiert ist, Nachholbedarf in Sachen Health Literacy gibt. Immerhin haben weniger als 25 Prozent der chronisch kranken Personen das Vermögen, Informationen rund um ihre Gesundheit zu finden, zu verstehen und auch korrekt anzuwenden. Dies hat dann zur Folge, dass dieser Personenkreis medizinische Empfehlungen kaum oder gar nicht befolgen kann, was wiederum negative Auswirkungen auf den Therapieverlauf hat.

Die Inhalte der Studie

Im Jahr 2014 zeichnete das Interdisziplinäre Zentrum für Gesundheitskompetenzforschung an der Universität Bielefeld verantwortlich für eine repräsentative Stichprobe unter rund 2.000 Bürgern ab 15 Jahren in Deutschland. Thematisch befasste sich die Studie damit, ob die befragten Bürger Informationen rund um das Thema Gesundheit finden, verstehen, beurteilen und anwenden können. Hierbei gaben mehr als 54 Prozent der Befragten an, Probleme im Umgang mit gesundheitsbezogenen Informationen zu haben.

Eine schwache Gesundheitskompetenz hat Auswirkungen auf die Lebensqualität

Eine nicht ausreichende Health Literacy beeinflusst die Gesundheit und damit die Lebensqualität des Einzelnen. Personen mit einer schwach ausgeprägten Gesundheitskompetenz sind häufig weniger aktiv und ernähren sich gemäß der Studie weniger gesund als Befragte mit einer hohen Gesundheitskompetenz. Diese ist aber sowohl hinsichtlich Prävention von Krankheiten als auch in Sachen Therapie unverzichtbar.

Knapp 15 Prozent der Befragten besitzen eine exzellente Gesundheitskompetenz, während knapp 27 Prozent immerhin noch über eine ausreichende Gesundheitskompetenz verfügen. Beide letztgenannten Gruppen haben kaum oder gar keine Probleme damit, benötigte gesundheitliche Informationen zu finden, zu verstehen, einzuschätzen und für ihre Gesundheitserhaltung zu verwenden.

Health Literacy ist ein wichtiger Baustein
Health Literacy ist ein wichtiger Baustein

Das Thema Gesundheitskompetenz ist auch ein Thema für die Pharmaindustrie

Damit hat das Wissen um die Gesundheit eines Menschen auch für Pharmaunternehmen einen großen Stellenwert, da sich die Geschäftsmodelle der Pharmakonzerne längst nicht mehr allein um die Herstellung von Medikamenten drehen. Das Ziel des modernen Menschen ist es nicht mehr nur, gesund zu werden, sondern auch gesund zu bleiben. Dieses Umdenken hat natürlich auch die Pharmaunternehmen längst erreicht, sodass Health Literacy auch für die gesamte Pharmabranche ein wichtiger Baustein ist.

Wie lässt sich mithilfe von Künstlicher Intelligenz eine erweiterte Gesundheitskompetenz erreichen?

An dieser Stelle wollen wir uns wieder dem Projekt von Professor Dr. Oliver Amft sowie seiner Idee von intelligenten Systemen für eine optimale Gesundheitskompetenz widmen. Künstliche Intelligenz birgt zweifelsohne ein großes Potenzial in sich, wenn es um die Verbesserung der Gesundheitskompetenz eines Menschen geht, da sie zum einen selbstlernenden Charakter hat und zum anderen komplizierte Sachverhalte gut übersetzen kann. Damit können intelligente Technologien eine Möglichkeit sein, Gesundheitswissen auf niederschwellige Art und Weise zu vermitteln, jeweils zugeschnitten auf die Zielgruppe.

Sprache als große Barriere für eine gute Health Literacy

So hat bereits der CEO bei Sandoz, Richard Saynor, im Jahr 2019 in einem Online-Beitrag auf den hohen Nutzen von Künstlichen Intelligenzsystemen im Bereich der Gesundheitskompetenz hingewiesen. Gehe es um Health Literacy, dann sei Sprache eine Hauptbarriere. Künstliche Intelligenz könne dabei helfen, diese Barriere zu durchbrechen, da sie in der Lage sei, Prozesse zu visualisieren und dadurch transparenter zu gestalten. Als Beispiel führte er an, warum es nicht sinnvoll ist, die doppelte Dosis Medikamente einzunehmen, wenn man eine Einnahme einmal vergessen hat.

Personalisierte Verhaltensempfehlungen
Personalisierte Verhaltensempfehlungen

Situative und personalisierte Verhaltensempfehlungen ganz praktisch im Alltag des Anwenders

Professor Dr. Oliver Amft setzt auf Künstliche Intelligenz sowie situative und personalisierte Verhaltensempfehlungen. Sein Assistenzsystem Eghi soll praktische Unterstützung und Empfehlungen im Alltag des Anwenders geben.

Ein Beispiel: Ein Anwender hat einen Termin und nutzt den Stadtbus, um zu diesem Termin zu gelangen. Dem Assistenzsystem Eghi fällt während der Fahrt das schöne Wetter auf. Daher fragt er den Nutzer, ob er einen Teil der Strecke laufen möchte.

Die Vision von Professor Dr. Oliver Amft ist es, dass die Künstliche Intelligenz den Menschen in seinem Alltag für eine optimale Gesundheitskompetenz unterstützt. Im Idealfall sei es Computeralgorithmen möglich, die umfangreichen und vielfältigen Informationen im Alltag besser zu verarbeiten als dies Menschen möglich ist.

Stecken medizinische Wearables noch in den Kinderschuhen?

Diesem Anspruch können medizinische Wearables, wie etwa Apps oder Smartwatches nicht gerecht werden – zumindest noch nicht. Sollte eine App oder Smartwatch im Restaurant daran erinnern, sich mehr zu bewegen, ist dies kontraproduktiv. Wichtig ist es, Handlungsalternativen in passenden Momenten aufzuzeigen. Das Assistenzsystem Eghi soll also als persönlicher Berater fungieren, unterstützt von einem digitalen Zwilling des persönlichen Verhaltens, der Handlungsoptionen abschätzen kann. Laut Amft kann das Assistenzsystem in sämtlichen Altersklassen wirken und wertvolle Dienste sowohl in Sachen Prävention als auch Therapie leisten.

Künstliche Intelligenz soll unterstützen und nicht kontrollieren

Abschließend resümiert Professor Dr. Oliver Amft, dass Gesundheitskompetenz im Allgemeinen wichtig sei, jedoch müsse sich die Art der Unterstützung eines Assistenzsystems an die Lebenssituation des Einzelnen anpassen. Dies beginne bei einer persönlichen Optimierung und reiche über Vermeidung von gesundheitlichen Risiken bis hin zum alltäglichen Umgang mit chronischen Krankheiten. Sein Anspruch sei es, eine intelligente Assistenz für Bewegung im Alltag, Unterstützung im Alter oder gesunde Ernährung zu entwickeln und keine künstliche Kontrollinstanz, die das Leben des Anwenders einschränke.

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Quelle: Regine Marxen, HEALTHRELATIONS, Deutscher Ärzteverlag präsentiert: Marken. Macher. Trends, Ausgabe Februar 2022

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