Interview mit Kim Kernbichler von Viantro

We make Doctors happy

Ein Arzt hilft Kollegen bei der Stellensuche

Die klassische Arztkarriere ist hinlänglich bekannt: Nach dem Studium mühevoll die Facharztausbildung machen, viele anstrengende Notdienste schieben und zur Belohnung irgendwann eine renommierte Stellung in einer Klinik annehmen oder eine eigene Praxis gründen. Dieses traditionelle Bild wandelt sich derzeit dramatisch. Der Arztberuf verändert sich fundamental und bietet viel vielfältigere Möglichkeiten als noch vor einem Jahrzehnt.

Dass ein Arzt allerdings zum Personalberater wird, ist eher ungewöhnlich. Kim Kernbichler ist so ein ungewöhnlicher Mensch.  Er hat erkannt, dass viele ÄrztInnen mit ihrem Beruf unzufrieden sind, weil sie keine motivierenden Arbeitsbedingungen vorfinden und vielleicht nicht in der Position sind, in der sie ihre speziellen Fähigkeiten und Kenntnisse einsetzen können. Deshalb hat er Vivantro gegründet. Sein Unternehmensziel: We make Doctors happy.

Interview mit Kim Kernbichler

Kim Kernbichler
Kim Kernbichler

Sie betreiben eine Karriereplattform für Ärzte. Welche Leistungen bieten Sie auf dieser Plattform an?

Wir sind im Grunde genommen ein digitaler Marktplatz auf dem Ärzte mit ihren individuellen Wünsche und Bedürfnisse mit hierzu passenden Stellen gematcht werden. Mit wenigen Klicks kann man sich an allen perfekt passenden Stellen bewerben und wird im gesamten Bewerbungs- und Anstellungsprozess von unseren jahrelang erfahrenen Mitarbeitern begleitet. In unserer Datenbank befinden sich stets nahezu alle vakanten Positionen Deutschlands.

Zudem können sich perspektivisch genau passende Kliniken bei Ärzten bewerben. Wir verwandeln klassisches Recruitingagenturbusiness und die klassische Jobsuche in digitales Plattformbusiness. Wir achten auf die individuellen Bedürfnisse. Über Konzepte des New Work zum Beispiel ermöglichen wir es Ärzten, in Ihren neuen Jobpositionen wieder mehr Well Being, mehr Work Life Balance zu erfahren.

Personalrecruiter haben meist einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund. Was war Ihre Motivation als Mediziner ein solches Unternehmen zu gründen?

Founder-Market-Fit! Ich habe den Schmerzpunkt „ständige Überlastung“ am eigenen Leib in meiner Arbeit als Arzt erlebt und wollte hieran etwas ändern. Es hat mich schockiert, wie viele Kollegen von über 60 Arbeitsstunden pro Woche berichteten, von hierdurch steigenden Fehlerquoten am Patienten, von fehlender Zeit für Familie und Hobbies. Ich stellte fest, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen hinterherhinkt. Und dass es keinen zentralen Ort gibt, an dem man seine individuellen Wünsche als Arzt auf alle in Deutschland verfügbaren Stellen matchen kann.

Ich hatte schon immer einen Unternehmergeist. Meine erste Unternehmung habe ich mit 13 gegründet. Insofern war die Gründung zur Heilung dieser Schmerzpunkte sofort etwas, dass in mir Leidenschaft und Begeisterung entfacht hat. Und das tut es noch immer. Jeden Tag aufs Neue.

In ihrer Vita ist zu lesen, dass sie die wichtigsten „Pain Points“ der Mediziner erkannt haben. Welche sind das aus Ihrer Sicht?

Als Arzt zu arbeiten bedeutet heutzutage leider häufig eine Reduktion der Work-Life-Balance, des Well-Beings. Der aktuelle Marburger Bund Monitor Baden-Württemberg von 2019 liefert hierzu schockierende Zahlen: 43% der Ärzte arbeiten zwischen 49 und 59 Stunden pro Woche, 20% sogar 60 Stunden oder mehr, über 75% geben an, dass Ihr Privat-und Familienleben und Ihre Gesundheit unter der Tätigkeit als Arzt leidet. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit für Fehler am Patienten und dies erhöht den psychischen Druck. 20% geben in der Folge an, dass sie erwägen, den Arztberuf ganz an den Nagel zu hängen.

Unser Purpose lautet: We make doctors happy!

Ich empfinde dies als einen unhaltbaren Zustand!  Diese Arbeitsbedingungen resultieren aus dem alten Paradigma unseres Berufsstandes: Als Arzt muss man sich für das Wohl des Patienten aufopfern! Ich finde dies unlogisch und teilweise auch verantwortungslos. Wir treten bei Viantro für ein neues Paradigma ein. Dies lautet: Für eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung ist nicht nur das Wohl des Patienten wichtig, es braucht auch das Wohl des Behandlers! Wir haben die Erreichung dieses neuen Paradigmas für alle Ärzte in das Zentrum unserer Unternehmung gestellt. Unser Purpose lautet: We make doctors happy! Hieran lernen und arbeiten wir jeden Tag. Der Erfolg gibt uns Recht!

Zudem ist es für Ärzte bisher schwierig auf eine einfache Art und Weise die individuellen Wünsche und Bedürfnisse auf alle zur Verfügung stehenden Stellen zu matchen. Und sich dann mit wenige Klicks zu bewerben. Wir ermöglichen dies und begleiten den Arzt mit Rat und Tat als Partner und Experte auf Augenhöhe bis zum ersten Arbeitstag.

Wie werden Patienten von Ihrer Vermittlungsplattform profitieren?

Darf ich eine Gegenfrage an Sie stellen, um die Frage zu beantworten? Wir werden alle früher oder später als Patient eine ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen. Möchten Sie lieber einen ausgeruhten Arzt, der sein bestmögliches für Ihre Gesundheit geben kann als Behandler? Oder einen überlasteten, vollkommen übermüdeten unausgeglichenen Arzt? Eine Heilung dieses Painpoints der Ärzteschaft ist im Interesse von uns allen! Wir haben es hier mit einem schwerwiegenden Painpoint der ganzen Gesellschaft zu tun. Diese Wunde hat sich bereits infiziert und muss schnellstmöglich behandelt werden. Tun wir dies nicht resultiert dies in Amputationen in Teilen unseres Gesundheitssystems.

Wir möchten den Ärzten, die sich bei uns registrieren, den genau zu Ihren Bedürfnissen und Wünschen passenden Job vermitteln. Wenn zum Beispiel ein Arzt (m/w/d) eine Tätigkeit sucht, die ihm mehr Zeit für Privat- und Familienleben, mit weniger Überstunden und Diensten, dann ermöglichen wir dies. Glückliche, ausgeruhte Ärzte, in Balance zwischen Beruf und Leben begehen weniger Fehler.

Können Sie die Ärzte und Unternehmen charakterisieren, die ihre Dienste in Anspruch nehmen?

Alle Hierarchiepositionen und Fachbereiche, alle Arten von Arbeitgebern. Die Schmerzpunkte bestehen in allen Segmenten. Bundesweit. International. Derzeit gibt es noch große Bedenken künstliche Intelligenz in Arztpraxen bei Anamnese und Diagnose zu nutzen. Wird sich die Einstellung der Ärzte dazu in absehbarer Zeit ändern?

Ich glaube, dass es neue Technologien immer schwierig haben. Zunächst gibt es nur einige early adopters. Je besser neue Technologien werden, je mehr Painpoints sie effizient reduzieren oder sogar eliminieren, desto mehr steigt über die Zeit die Anzahl der User und hierdurch die Toleranz in der Gesellschaft. Und irgendwann wandelt sich diese Toleranz in Standard. Das wird mit KI in Healthcare aus meiner Sicht definitiv passieren.

Es ist aus meiner Sicht zwingend notwendig neue Technologien zu verwenden, die die Qualität der Versorgung erhalten und verbessern. Wir haben einen Ärztemangel. Neue Technologien wie KI können hier entlasten. Natürlich stehen diese Technologien im Healthsector noch am Anfang der Entwicklung und man muss achtsam hiermit umgehen und Risiken sorgsam prüfen.

Sie sind in ihren Berufsweg von dem klassischen Medizinerweg abgewichen. Gibt es einen Trend das Mediziner in andere Berufsbilder zu streben?

In der Marburger Bund Mitgliederbefragung von 2019 haben 20% angegeben, dass sie es erwägen Ihre Profession als Arzt vollständig zu verlassen. Ich kenne viele Ärzte, die diesen Weg gehen möchten oder bereits gegangen sind. In der Tech Szene zum Beispiel gibt es hierfür einige Beispiele. Klassischere Ausweichfelder sind z.B. Medizinjournalismus.

Ich denke, dass sich dieser Trend noch weiter verstärken wird, wenn sich die Arbeitsbedingungen und die Möglichkeiten für mehr Work Life Balance nicht deutlich verbessern werden. Handeln wir hier nicht, wird sich der Ärztemangel noch weiter verschärfen. Das ist schade, denn man studiert Medizin nicht, um nicht als Arzt zu arbeiten. Die Kosten dieses Studiums sind für die Gesellschaft hoch. Wir sollten dieses Invest nutzen und einen ROI (return of invest) nicht durch schlechte Arbeitsbedingungen verhindern.

Digitalisierung im Gesundheitswesen ist gerade durch die Pandemie wieder in den Vordergrund gerückt. Wie wird Digitalisierung den Arztberuf in Zukunft verändern?

Die Art und Weise wie man als Arzt arbeitet wird sich vollkommen verändern. Das gilt meiner Meinung nach für die direkte Arbeit am Patienten durch z.B. Telemedizin und KI genauso wie für die Bereiche rund um die ärztlichen Kerntätigkeiten. Es gibt spannende Ansätze zur Zeitersparnis durch Effizienzsteigerung und Automatisierung der administrativen Tätigkeiten. Dies ist auch dringend erforderlich. 52 Millionen Stunden p.a. verwenden Vertragsärzte und -psychotherapeuten für Papierkram. Und an Kliniken sieht es hier nicht besser aus. Dies sind nur einige Beispiele. Die Klaviatur ist hier sehr breit und wir lernen gerade erst sie zu bespielen. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen hat das Potential das Leben für Ärzte und Patienten sehr viel besser zu machen. Sie hat eine immense gesellschaftliche Relevanz.

Wie kann ihr Unternehmen dazu beitragen die Digitalisierung des Gesundheitswesens nach vorne zu bringen?

Ich glaube, dass wir in unserer Vertikalen mit unserem Know How einen starken digitalen Hebel haben, der das Leben der Ärzte und der Patienten einfacher und besser macht. Ich freue mich auf die nächsten Jahre. Wir haben viele Ideen und das Feedback unserer Kunden, Investoren und unsere dreistelligen Wachstumsraten zeigen, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind. Auch der Austausch mit anderen DigitalHealth Unternehmen ist sehr inspirierend. Es gibt viele smarte Menschen, die sich mit tollen Ideen mit dem Werkzeug der Digitalisierung der größten Health Problematiken annehmen und hier beeindruckende Fortschritte erzielen. Das gemeinsame Diskutieren bringt alle Seiten voran.

Unternehmen ist ja noch jung welche Visionen haben Sie mittelfristig für den weiteren Weg?

Wir möchten es Ärzten ermöglichen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren – ein guter Arzt und ein glücklicher Mensch zu sein, der Patienten auf die bestmögliche Art und Weise behandeln kann. „We make doctors happy!“ ist unser purpose und wir werden nicht aufhören hieran zu arbeiten.

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Für heute gibt es wieder eine Whats Next Frage an alle Ärzte und Patienten:

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten “PainPoints” der Ärzte in der aktuellen Situation? Ich bin gespannt.

Herzlichst Ihr Gerd Wirtz
www.facebook.com/Dr.Gerd.Wirtz

Wenn Sie mehr zu „Medizin der Zukunft“ erfahren wollen, nutzen Sie den Download für mein Whitepaper:

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