Orthopädie der Zukunft
Wenn es um die Orthopädie der Zukunft bei Leistungssportlern geht, dann ist Dr. Oliver Tobolski im Rheinland eine feste Größe. In seiner hochmodernen Praxis sind Spitzensportler ständige Gäste. Seine Praxis ist Medizinzentrum für den Olympiastüzpunkt Rheinland und er ist Verbandsarzt des Tennisverbandes Mittelrhein.
Digitale Transformation im Praxisalltag
Dies Aufgabe kann man nur bewältigen, wenn man immer auf dem aktuellen Stand der Behandlungstechnik ist und sich gut organisiert hat. In seinem Medizinzentrum beschäftigt er 40 Mitarbeiter. Die digitale Transformation ist in seinem Arbeitsumfeld weit fortgeschritten. In unserem Gespräch haben wir uns darüber ausgetauscht, welche digitalen Möglichkeiten schon im Praxisalltag genutzt werden und was in den nächsten Jahren zu erwarten ist. Dabei verrät er mir, ob er sich demnächst einen virtuellen Kollegen im Nebenzimmer vorstellen kann und warum WhatsApp bei ihm ständig im Einsatz ist.
Der Ich habe auf Ihrer Webseite gesehen, dass Sie eine Online-Terminvereinbarung anbieten. Sehr vorbildlich digital. Benutzen Sie überhaupt noch Stift und Papier in Ihrer Praxis?
Wir arbeiten in unserer Praxis weitestgehend papierlos, d. h. wir verwalten unsere Patientenakten und Röntgenbilder ausschließlich digital und können so wesentlich effektiver und schneller auf Daten zurückgreifen und Schnittstellenprobleme vermeiden.
Wie wird denn ganz konkret die Online-Terminvereinbarung von den Patienten angenommen?
Die Möglichkeit der Online-Terminvereinbarung stellt für unsere Patienten eine enorme Erleichterung dar. So müssen sie sich nicht mehr in der Warteschleife gedulden und können selbständig auswählen, wann und von welchem Arzt in unserem Team sie behandelt werden möchten. Die Termine können direkt gebucht werden und eine Terminbestätigung erfolgt automatisch. Seit wir dieses System eingeführt haben, ist die Auslastung der Sprechstunde um fast 20 % gestiegen und unser Empfang wird enorm entlastet. … Also eine klassische WIN-WIN-Situation.
Dr. Johannes Wimmer hat zuletzt gesagt, dass WhatsApp zum Game Changer in der Medizin werden könnte. Wie nutzen Sie denn WhatsApp in ihrer Praxis?
Ganz häufig. Wenn Patienten auswärts behandelt werden, zum Beispiel im Urlaub oder nach einer Verletzung. Dann schicken sie mir Fotos und Röntgenbilder oder den MRT Befund. So kann ich dem Patienten Empfehlungen geben, ob er auswärts weiter behandelt werden kann oder möglicherweise direkt zu einer Operation zurückkommen sollte.
Gelegentlich korrespondiere ich auch, insbesondere mit Leistungssportlern, nach akuten Verletzungen über WhatsApp und wir entscheiden dann, ob der Sportler weitermachen kann oder ob sie/er besser pausiert und zur Behandlung kommt. So kann ich für meine Patienten meine Erreichbarkeit verbessern und andererseits unnötige Praxisbesuche ersparen.
Das klingt nach einer unglaublichen Arbeitserleichterung für Sie und sehr sinnvollem Service für Ihre Patienten. Ist das denn nicht datenschutzrechtlich bedenklich?
Natürlich verkompliziert der Datenschutz unseren Informationsaustausch zunehmend. Hier ist es allerdings so, dass die Patienten mir freiwillig ihre Daten schicken. Ich selbst versende keine sensiblen Daten, sondern beantworte lediglich ihre Fragen.
Auf welche digitale Errungenschaft in Ihrer Praxis sind Sie denn besonders stolz?
Schwierige Frage, aber tatsächlich bin ich besonders stolz auf eine besondere Form der Bildgebung: Die digitale Volumentomographie (DVT), mit der wir Röntgenaufnahmen dreidimensional darstellen können. Das ist eine wahre Innovation. Hierbei handelt es sich um ein hochinnovatives, strahlungsarmes Schnittbildverfahren, welches Aufnahmen unter Belastung ermöglicht und dreidimensionale Röntgenbilder in überragender Qualität und Auflösung liefert. So können wir die richtige Diagnose sicher, schonend und schnell stellen und weitergehende Untersuchungen oftmals vermeiden.
Was sagen denn die Krankenkassen zu solchen hochinnovativen Methoden?
Grundsätzlich werden Innovationen von den Krankenkassen oft kritisch gesehen und das kann ich auch nachvollziehen. Nicht alles, was neu und teuer ist, bringt Fortschritte. Deshalb brauchen Kostenträger Zahlen, Daten und Fakten, um sich für die Kostenübernahme zu entscheiden. Bei dem gerade genannten Verfahren gibt es zahlreiche positive Studien und wir können durch schnelle sachgerechte Behandlung viele Folgekosten einsparen. Deshalb wird die Untersuchung von den privaten Kassen übernommen. Bei den gesetzlichen Kassen ist der Erstattungsprozess deutlich aufwändiger.
Sehen Sie bei Ihren Patienten Freude an der Digitalisierung oder eher Angst vor den digitalen Möglichkeiten?
Vermutlich sind wir als Praxis nicht repräsentativ, weil wir durch unsere sportmedizinische Orientierung eine jüngere Klientel haben. Bei uns muss ich ganz klar sagen, zu 90 % ist es nur Akzeptanz und Begeisterung.
Viele Kollegen sehen die digital vorinformierten Patienten kritisch und meinen, sie müssten sie erst einmal „entgoogeln“?
Der aufgeklärte Patient war mir nie ein Problem. Ich liebe eher die Menschen, die sich mit dem Thema beschäftigen. Ich gehe auch gerne in die Diskussion und manchmal hat der Patient ja auch brandneue Informationen. Dieser Nimbus des „Halbgottes in Weiß“ ist lange vorbei. Die Therapieakzeptanz ist sehr viel höher, wenn ich den Patienten wirklich im Gespräch überzeugt habe. Letztendlich trägt der Patient für den Heilungsprozess immer eine Mitverantwortung und ich freue mich, wenn er die Verantwortung möglichst frühzeitig annimmt.
Paradebeispiele für die Digitalisierung in der Medizin sind Fachgebiete, bei denen es um die Erkennung und Verarbeitung von immer gleichen Mustern gibt: Also Dermatologie, Pathologie und Radiologie. Wo sehen Sie den größten Nutzen in der Orthopädie?
Die Digitalisierung erleichtert z. B. die OP-Vorbereitung, hier insbesondere die Prothesenplanung. Dort können wir heute durch digitale Prozesse die OP simulieren und sehen, welche Prothese perfekt passt. Da kommen wir in die Dimension der individualisierten, maßgeschneiderten Medizin für jeden Patienten.
Sie haben eine Praxis mit einigen Kollegen. Können Sie sich vorstellen, dass demnächst in einem ihrer Nebenzimmer auch ein virtueller Kollege sitzt?
Ja, grundsätzlich kann ich mir das vorstellen und ich schätze, das werde ich noch erleben. In den nächsten 15 Jahren können wir virtuelle Kollegen so mit Algorithmen füttern, dass sie in der Lage sind, viele Routineprozesse durchzuführen. Ich denke da an Ausmessung von Prothesen, Planung und Auswertung von radiologischen Untersuchungen.
Sie arbeiten viel mit Leistungssportlern. Wie viel Prozent Ihrer Zeit verbringen Sie mit Heilung und wie viel Prozent mit Prävention von Verletzungen?
Ich würde sagen 50 : 50 aktuell. Der Anteil der Präventivmaßnahmen steigt aber steil an. Wir haben durch die Bewegungsanalyse die Möglichkeit, Dysbalancen und Risiken zu erkennen. Mit den Erkenntnissen können wir in die Trainingssteuerung eingreifen und das Training anpassen. Das funktioniert leider nur mit Leistungssportlern, mit denen ich im ständigen Kontakt bin. Der Patient allgemein, kommt leider meistens erst dann zum Arzt, wenn es zu spät ist. Ich hoffe, da wird sich das Bewusstsein in Zukunft in Richtung Prävention verändern.
Ein Leistungssportler muss auf Mediziner verschiedener Fachgebiete zurückgreifen, um seinen Sport sicher und erfolgreich ausüben zu können. Wie gut sind Sie denn mit den anderen Fachgebieten vernetzt?
Da spielt die Digitalisierung eine große Rolle, insbesondere, wenn wir mit dem Olympiastützpunkt arbeiten. Olympioniken werden in der Vorbereitung in einer digitalen Akte geführt, in welche jeder behandelnde Arzt seine Befunde einpflegt. Mit Zustimmung des Sportlers kann so jeder der Behandler auf die gesamte Akte zugreifen. Bei nicht olympisch tätigen Ärzten und Sportlern ist das nicht der Fall und dann ist es tatsächlich aufwändiger, die anderen Behandler an einen Tisch oder ans Telefon zu bekommen, um sich abzustimmen.
Die Olympioniken machen uns die elektronische Patientenakte vor?
Das kann man so sagen. Kostenträger ist in diesem Fall der Olympia Sport und hier ist der Anspruch an einen reibungslosen Informationsaustausch hoch. Bei Spitzensportlern aus anderen Bereichen, wie z.B. Tennis, wird dieser Aufwand nur für diejenigen betrieben, die sich in der Weltspitze tummeln. Der durchschnittliche Hausarzt hatte im Jahr 2018 7 Minuten und 20 Sekunden Zeit für einen Patienten.
Wie viel Zeit hat denn der Orthopäde für einen Patienten?
Wir Ärzte sind Helfer und Unternehmer und müssen schon auf die Zeit achten. Mein Standardgespräch beträgt zwischen 8-10 Minuten. Wenn ein Fall allerdings komplexer ist, dauert es auch schon einmal 30 Minuten. Für die nachfolgenden Patienten und die Praxisorganisation ist das jedes Mal eine schwierige Situation, aber Gesundheit ist nun mal nicht immer planbar.
Also sollte man beim Arztbesuch auf die Begrüßung verzichten, um mehr Zeit für das eigentliche Gespräch zu haben 😉
Nein, nein (lacht). Die herzliche Begrüßung ist mir bei meinen Patienten ein Bedürfnis. … außerdem fängt dabei schon die Diagnose an. Schon bei der Begrüßung bekommt man wichtige Hinweise auf den Gesamtzustand. Häufig haben Patienten mehr Zeitdruck als ich. Ich habe einen Patienten, der gibt mir vor jedem Besuch ein Zeitbudget vor. Da muss ich ganz fix sein.
Es gibt schon einige Möglichkeiten, wie der Arztbesuch bei Bagatellen oder Nachbehandlungen substituiert werden kann. Welche dieser Möglichkeiten halten Sie denn für sinnvoll?
Ich bin ein großer Freund der Video- oder Telefonsprechstunde. Da kann ich schon einiges beurteilen und wichtige Schritte einleiten. Auch in der Nachsorge von Operationen ist das sehr hilfreich. Man kann so ohne großen Zeitaufwand die Frequenz der Patientenkontakte steuern. Der Patient fühlt sich so besonders gut umsorgt und weiß, dass ich kurzfristig erreichbar bin, wenn es brennt. Über WhatsApp haben wir ja schon gesprochen. Das ist für mich auch eine Frage des Respektes vor der Zeit des Patienten. Kein Mensch hat Lust auf eine lange Anfahrt und dann auch noch eine gewisse Wartezeit, um schließlich einen Nachsorgebesuch von 3 Minuten Dauer zu haben.
Sehen Sie in der Videosprechstunde einen Vorteil gegenüber dem Telefon?
Ja, für mich ist es wichtig, die Patienten zu sehen auch die Möglichkeit zu haben, mal auf das betroffene Gelenk zu schauen. Natürlich telefoniere mit Patienten, wenn ich das Gefühl habe, dass es ihnen angenehmer ist. Dann müssen sie halt Fotos machen und mir diese parallel schicken.
Spart eine Video Sprechstunde für Sie persönlich wirklich Zeit?
Es spart auf jeden Fall Zeit für mich und die Praxisorganisation. Wir müssen den Patienten am Empfang nicht aufnehmen lassen und nicht im Wartezimmer parken. Zudem ist es aus meiner Sicht eine wichtige Serviceleistung für Patienten, weil diese eben die Anfahrt sparen und für sich Zeit gewinnen.
Werfen wir mal ein Blick in die Zukunft. Wie sieht der typische Tagesablauf eines Orthopäden in 15 Jahren aus?
Da wird viel per Video gemacht. Schon in der Vorbereitung hat man Einblick in eine virtuelle Akte bekommen. Die Fragestellungen, mit denen die Patienten kommen, werden dann differenzierter sein, weil sie schon deutlich vorinformierter zu uns kommen und zuhause mehr diagnostische Möglichkeiten als heute haben. Die Diagnose in der Praxis wird schneller und effektiver. Ich glaube auch, dass die OP Möglichkeiten sich massiv ändern werden.
Wir arbeiten heute schon häufig minimalinvasiv. Die benötigten Zugänge werden immer kleiner. Dadurch wird das Trauma auf dem Zugangsweg zum Gelenk minimiert und wir haben eine weitaus schnellere Rehabilitation. Der Einsatz von Operationsrobotern macht die Eingriffe präziser und schneller. Damit sinken für die Patienten die Wartezeiten auf einen Operationstermin. Bis dahin wird das noch eine spannende Zeit.
Das war ein spannendes Interview und Sie sind mit Ihrer Praxis schon auf der Autobahn Richtung Zukunft unterwegs. Vielen Dank und weiterhin viel Erfolg.
Herzlichst Ihr Gerd Wirtz
www.facebook.com/Dr.Gerd.Wirtz
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